Schützen statt Strafen: Die Regelung zum Mutterschutz im Reitsport verfehlt ihr Ziel

www.tagesspiegel.de - 16. September 2022 -

Jessica von Bredow-Werndl freute sich auf ihr Comeback nach der Babypause. Dafür sollen ihr nun Weltranglistenpunkte abgezogen werden. Zeit für eine Regeländerung.

 

Jessica von Bredow-Werndl ist enttäuscht. Das hat die Dressur-Olympiasiegerin auf Instagram deutlich gemacht. „Ich hatte mich auf mein Comeback nach der Babypause in Ludwigsburg sehr gefreut, doch meine Teilnahme wurde nicht genehmigt“, schrieb sie dort. Grund dafür ist eine Mutterschutz-Regel des Pferdesport- Weltverbandes (FEI), in der es um die Weltranglistenpunkte geht, die darüber entscheiden, an welchen Turnieren man teilnehmen darf. Diese sieht vor, dass Reiterinnen, die Mutterschutz beantragt haben, die Hälfte der Punkte für ein halbes Jahr behalten dürfen. Allerdings nur unter einer Bedingung: Die Athletinnen dürfen erst nach Ablauf der sechs Monate wieder reiten und wer eher startet – so wie Bredow-Werndl es vorhatte – verliert rückwirkend die Punkte.

Bredow-Werndl findet das „schlichtweg ungerecht“. Sie könne die Entscheidung nicht nachvollziehen; Sportlerinnen sollten ihren Mutterschutz auch früher beenden dürfen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Regelung der FEI nach hinten losgeht. Auch die Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann kämpft seit Monaten um eine entsprechende Änderung. Sie bestritt zwei Monate nach der Geburt ihres Kindes ihr erstes Turnier und bekam prompt Ärger mit dem Weltverband.

Der zog ihr nämlich Punkte ab, sodass Meyer-Zimmermann in der Weltrangliste um über 150 Plätze abstürzte und zeitweise kaum noch zu internationalen Turnieren eingeladen wurde. Für Reiterinnen kann so ein Absturz auch langfristige Folgen haben wie den Verlust von Sponsorengeldern oder Pferden.

Athletinnen sollten selbst entscheiden können

Und so verfehlt eine gut gemeinte Regel genau das Ziel, das sie verfolgt: Athletinnen nach einer Schwangerschaft den Wiedereinstieg in den Sport zu erleichtern. Vor allem die Hintergründe der Sperre, die Frauen dafür bestrafen, dass sie früher zurückkommen, sind schwer ersichtlich. Auch Meyer-Zimmermann kritisierte in einem Interview mit der Deutschen Welle: „Wenn mir Punkte aberkannt werden, muss ich ja umso mehr dafür tun, um sie wiederzubekommen. Dann reite ich sogar mehr als weniger.“

 

Umso wichtiger wäre es, dass Athletinnen selbst entscheiden können, wie viel Zeit sie nach der Geburt brauchen. Die FEI sollte die Pause flexibler handhaben, um den Bedürfnissen einzelner Athletinnen gerecht zu werden. Die Initiative Equal Equest schlägt hierfür eine Dauer von vier bis zwölf Monaten und eine Ankündigungsfrist vor. Nun liegt es beim Weltverband, die Vorschläge bei seiner Generalversammlung im November auch anzunehmen.

 

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/sport/reitsport-und-mutterschutz-die-regelung-des-weltverbandes-verfehlt-ihr-ziel-8650807.html