Springreiterin Meyer-Zimmermann kämpft für mehr Gleichberechtigung
www.pferde.de - 9. Juli 2022 -
Bislang war die Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann überzeugt: Im Reitsport werden Frauen und Männer gleichbehandelt – immer! Doch nach der Geburt ihres Sohnes merkte die Springreiterin: Frauen haben doch Nachteile. Jetzt kämpft die 41-Jährige für mehr Gerechtigkeit für Mütter in ihrem Sport
„Als einzige Sportart, in der Frauen und Männer bis auf olympischem Niveau gegeneinander antreten, hält der Reitsport eine Sonderstellung inne“, sagt Meyer-Zimmermann. Der Grund ist simpel: Bei internationalen Turnieren basiert die Starterlaubnis auf der Anzahl an Weltranglistenpunkten der Reiterinnen und Reiter. Und die Punkte gibt es für Erfolge. Heißt: Wer bei einem Turnier gut abschneidet, bekommt Punkte – egal, ob Frau oder Mann.
So weit, so fair. Doch wird eine Reiterin schwanger, sieht es anders aus. Zwar können die Turnierreiterinnen bei der „Fédération Equestre Internationale“ (FEI), dem Weltreiterverband, einen Mutterschutz von sechs bis zwölf Monaten beantragen. In dieser Zeit sind sie jedoch für alle internationalen Turniere gesperrt. Wenn sie danach wieder starten, erhalten sie 50 Prozent der Ranglistenpunkte, die sie sich vor Start der Pause erarbeitet hatten. „Dies wurde eingeführt, damit Frauen nicht zu sehr benachteiligt sind, gegenüber Ihren männlichen Kollegen, die schließlich keine Kinder
Wer zu schnell startet, verliert alle Punkte
Aber: Das gilt nur für Spring- und Dressurreiterinnen sowie fürs Driving. In der Para-Dressur, beim Voltigieren, Distanzreiten und der Vielseitigkeit gibt es diese Regelung nicht. Und das bedeutet: Während des Mutterschutzes gehen alle Weltranglistenpunkte verloren.
Somit hatte Meyer-Zimmermann als Springreiterin noch Glück. „Nichtsahnend von einer sechs Monate langen Sperrfrist“, beantragte sie die Turnier-Mutterschutz-Pause und fiel aus allen Wolken, als sie nach der Geburt ihres Sohnes im spanischen Oliva wieder in den Turniersattel wollte. Denn durch ihren Start hielt sie die sechs Monate nicht ein – und verlor damit alle Weltranglistenpunkte. „Ich empfinde das als sehr unfair, da ich dafür bestraft werde, dass ich probiere schnell wieder fit zu werden und meinen Beruf wieder auszuüben“, ärgert sich Meyer-Zimmermann.
Im Ausland kann die Springreiterin kaum noch starten
Dabei hatte der schnelle Start seine Gründe: Sie fühlte sich fit, ihrem Sohn ging es gut – und so wollte sie mit „kleineren“ Springen wieder beginnen, um dann beim Hamburger Derby zu starten – und sich so für Aachen zu empfehlen. Doch nun stürzte sie auf der Weltrangliste ab, rutsche von Platz 107 auf 270. Die Folge: Starts auf großen Weltcup-Turnieren im In- und Ausland sind plötzlich für sie fast unmöglich. Und das heißt für die Profi-Reiterin im Prinzip: Berufsverbot.
„Ich kann im Ausland aktuell bei den großen Turnieren nicht starten“, sagt sie. Glück hat sie bei Starts in Deutschland: Bundestrainer Otto Becker organisierte ihr eine Wildcard, dazu nominierte er sie als Starterin fürs deutsche Team beim „Longines FEI Nationencup“ in Sopot. Und Meyer-Zimmermann zeigte, was sie kann: Mit zwei fehlerfreien Runden trägt sie entscheidend zum Team-Sieg bei.
Initiative #EqualEquest kämpft für junge Mütter
Alles gut? Für Meyer-Zimmermann läuft es tatsächlich perfekt. Langsam holt sie sich ihre Weltranglistenpunkte zurück. Doch die Erfahrung macht sie kämpferisch. Mit Star-Köchin Cornelia Poletto, Frederice Baack und Josephine Oehmen setzt sie sich für mehr Chancengerechtigkeit im Reitsport ein: „Ich kämpfe nicht für mich, sondern die nächsten Frauen, die es betrifft.“
Mit der Initiative #EqualEquest wollen sie Reiterinnen eine zeitlich begrenzte aber flexible Pause im Falle einer Schwangerschaft für einen Zeitraum von vier bis zwölf Monaten ermöglichen. Dazu könnten den Sportlerinnen Wildcards für internationale Starts, gemessen an dem Platz im Ranking vor der Pause, zur Verfügung gestellt werden. Die Beendigung der Pause und der Zeitpunkt des ersten Turnierstarts muss der FEI rechtzeitig bekannt gegeben werden, damit diese die Sperre der Reiterin aufheben kann.
Nach Babypause das Comeback nicht erschweren
Die Initiative unterstützt auch Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl: „Im Reitsport treten Frauen und Männer gegeneinander an. Umso wichtiger finde ich es, dass den Frauen, die eine Babypause einlegen, das Comeback nicht zusätzlich erschwert wird. Die 50 Prozent Regelung ist ein erster richtiger Schritt“, so die 36-Jährige, die aktuell selbst schwanger ist. „Allerdings macht für mich nur eine zeitliche Deckelung nach oben Sinn, nicht aber wenn es einer Frau möglich ist, nach weniger als sechs Monaten, in den Turniersport wieder einzusteigen. Nicht jede Schwangerschaft verläuft gleich.“
Und auch die 52-jährige Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum ist dabei: „Als erste deutsche Frau, die für ein Championats-Team nominiert wurde und geritten ist, bin ich der FEI sehr dankbar, dass sie die 50 Prozent Regelung eingeführt hat. Das war damals ein großer Schritt, für den ich sehr gekämpft habe. Für junge Frauen im Reitsport ist es ein wichtiges Zeichen, die Regularien so zu halten und weiter zu entwickeln, dass Familie und Spitzensport vereinbar sind – ohne Benachteiligung der Mütter.”
Hat die Initiative Erfolg, wäre für Reiterinnen ein finanzielles Problem zumindest kleiner. Denn: Der Verlust der Ranglistenpunkte hat neben den damit einhergehenden schlechteren Startmöglichkeiten auf großen internationalen Turnieren auch einen wirtschaftlichen Effekt. Den Reiterinnen droht ein möglicher Verlust von Sponsoren oder zur Verfügung gestellten Pferden. Der Verdienstausfall, der bereits durch die Schwangerschaft und die Wochen danach besteht, wird also durch den Verlust der Ranglistenpunkten noch verstärkt.
Quelle: https://www.pferde.de/magazin/springreiterin-kaempft-fuer-gleichberechtigung/?fbclid=IwAR2FXKS4KG-U0LWwECa_ZYvzWDQExILSbRlKez_sdVUZTvUd0fTvU5rlQZQ