Weltstars aus Pinneberg auf dem Weg nach Paris
www.abendblatt.de - 30. Juni 2024 -
Von Werner Langmaack
Laura Ludwig und Janne Friederike Meyer-Zimmermann auf dem Hof Waterkant in Waldenau: „Auf Olympia schauen nicht nur Sportinteressierte“
Kreis Pinneberg. Beachvolleyballerin Laura Ludwig und Reiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann über olympische Ambitionen und die Rolle des Geldes im Sport.
Sie dürften die beiden bekanntesten aktiven Leistungssportlerinnen des Kreises Pinneberg sein: Beachvolleyballerin Laura Ludwig (38), wohnhaft in Halstenbek, und Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann (43) mit ihrer Reitanlage in Pinneberg-Waldenau. Beide eint der Wunsch, im August an den Olympischen Spielen in Paris teilzunehmen. Wobei Laura mit ihrer Duo-Partnerin Louise Lippmann Anfang Juni die Qualifikation bereits geschafft hat, während Janne noch bangen muss. Eine langwierige Verletzung ihres Spitzenpferdes Messi im vergangenen Jahr warf sie im Ranking zurück. Das Hamburger Abendblatt brachte die Top-Sportlerinnen, die einander bis dato nie begegnet waren, zu einem Interview auf dem Hof Waterkant der Springreiterin zusammen.
Hamburger Abendblatt: Die Teilnahme an Olympischen Spielen gilt als Nonplusultra für Leistungssportler. Trifft das auch noch beim fünften Mal zu, Laura?
Ludwig: Ja, klar. Sonst würde ich den ganzen Aufwand wohl kaum betreiben. In unserer Sportart zieht sich die Qualifikationsphase über zwei Jahre hin, das kostet sehr viel Energie. So war die Erleichterung groß, als wir durch einen Sieg gegen unsere unmittelbaren Kontrahentinnen in Ostrava endlich das Ticket für Paris ergattert hatten. Anschließend haben wir noch drei Spiele gemacht, dann wollten Kopf und Körper nicht mehr. Wir mussten erst einmal zehn Tage pausieren, um die Akkus aufzuladen.
Die Erfolge der Pinneberger Weltklasse-Sportlerinnen
Zusammen haben Beachvolleyballerin und Springreiterin zahllose Erfolge auf internationalem Parkett vorzuweisen.
Laura Ludwig holte 2016 in Rio de Janeiro den Olympiasieg und 2017 den Weltmeistertitel. Außerdem war sie bisher viermal Europameisterin und siebenmal deutsche Meisterin. Sie wurde 2016 und 2017 zusammen mit Kira Walkenhorst zur Mannschaft des Jahres und 2020 zu „Legenden des Jahrzehnts“ erklärt.
Janne Friederike Meyer-Zimmermann wurde mit der deutschen Equipe 2010/2011 sowohl Welt- wie Europameisterinund startete 2012 bei den Olympischen Spielen in London. Sie gewann diverse Große Preise, darunter den von Aachen und kürzlich das Global-Champions-Springen im französischen Cannes. Zweimal wurde sie in Deutschland zum „Rider of the Year“ und 2012 in Schleswig-Holstein zur „Sportlerin des Jahres“ gekürt.
Sie, Janne, waren zuletzt 2012 in London dabei. Leider lief es damals nicht so wie erhofft.
Meyer: Naja, zunächst mal war es toll, überhaupt dabei zu sein, zumal an der speziellen Austragungsstätte, dem königlichen Greenwich Park. Sportlich war es natürlich eine Enttäuschung. Als amtierende Mannschaftsweltmeister hatten wir eigentlich fest mit einer Medaille gerechnet, erreichten dann aber nicht einmal den zweiten Umlauf des Nationenpreises. Mein Traum von Olympia ist damit aber nicht ausgeträumt.
Janne Friederike Meyer-Zimmermann mit ihrem Weltklassepferd Messi: „Der Traum von Olympia ist nicht ausgeträumt“ © Werner Langmaack | Werner Langmaack
Sie galten lange Zeit als nahezu chancenlos, doch durch den sensationellen Sieg mit dem zwölfjährigen Wallach Messi bei der Global-Champions-Etappe kürzlich in Cannes sieht die Sache plötzlich anders aus.
Meyer: Ja, schon. Aber für Olympia stehe ich nach wie vor nur auf der Longlist und gehöre nicht zu den heißesten Kandidaten für Paris. Mir fehlen einfach die Vorergebnisse, weil ich im vorigen Jahr überhaupt nicht habe punkten können, nachdem Messi sich schon im Mai ausgerechnet beim Derby in Hamburg eine Verletzung zugezogen hatte.
Janne Friederike Meyer-Zimmermann auf ihrem Pferd Messi. © DPA Images | Friso Gentsch
Aber die Leistungen der vergangenen Wochen sprechen für Sie. Bundestrainer Otto Becker wird doch bei der endgültigen Nominierung die aktuelle Form nicht außer Acht lassen können.
Meyer: Mag sein, aber viele andere Reiter haben über eine lange Zeitspanne konstant gute Leistungen vollbracht, und was die sich erarbeitet haben, kann man ja nicht einfach ausblenden. Erschwerend kommt hinzu, dass nur vier Paare statt früher fünf bei den Spielen starten dürfen. Am Ende ist es eine Auslegungssache. Ich kann nur abwarten und versuchen, weiter Topresultate zu liefern. Ich lebe in der Realität, dass es möglicherweise nicht reichen wird für Messi und mich.
Den Nominierungsstress haben Sie zum Glück hinter sich, Laura, wobei es in diesem Jahr nicht ganz so rund lief, wie es eigentlich beabsichtigt war.
Ludwig: Das sehe ich nicht so kritisch. Insgesamt haben wir bislang eine gute Saison abgeliefert, vor allem wenn man berücksichtigt, dass wir ja erst seit zwei Jahren zusammen sind und Louisa vorher nie im Sand, sondern nur in der Halle Volleyball gespielt hat. Das sind zwei völlig unterschiedliche Disziplinen. Hinzu kam, dass unsere Konkurrentinnen Borger/Ittlinger sich in diesem Jahr krass gesteigert haben, unerwartet gute Ergebnisse einfuhren und uns immer näher rückten. Das wurde dann schließlich zum Nervenkrieg, sodass wir gleich mehrere enge Partien auf der Weltserie in dritten Sätzen abgegeben haben, ehe wir dann im direkten Aufeinandertreffen in Ostrava den Sack zumachen konnten.
Man hört, sie wären zeitweise durch gesundheitliche Probleme gehandicapt gewesen.
Ludwig: Nein, außer einem obligatorischen Schnupfen und leichten Alterserscheinungen war da nichts.
Werdet ihr in Paris in Bestform antreten können?
Ludwig: Das kann ich noch nicht sagen. Momentan fühle ich mich noch ziemlich leer im Kopf. Wir haben zwar schon im vorigen Jahr bewiesen, dass wir auch Medaillen gewinnen können, aber daraus den Anspruch auf einen Podestplatz bei Olympia abzuleiten, das wäre anmaßend. Entscheidend wird sein, ob wir unsere Synapsen in den entscheidenden Situationen richtig schalten können.
Wir reden ja hier über professionellen Sport, in dem das Geld eine immer größere Bedeutung erfährt. Inwieweit spielen die Teilnahme an den und das Abschneiden bei den Olympischen Spielen auch eine finanzielle Rolle?
Ludwig: Unmittelbar keine, sieht man einmal von den Prämien, die der DOSB ausschüttet ab. (Für Gold gibt es 20.000 Euro, für Silber 15.000 Euro und für Bronze 10.000 Euro – d. Red.) Fürs Image ist es natürlich äußerst wertvoll, wenn man bei den Spielen ein herausragendes Ergebnis erzielt. Vor dem Hintergrund fällt es leichter, Sponsoren zu finden oder etwa für Vorträge gebucht zu werden. Auf Olympia schauen eben nicht nur Sportinteressierte, sondern auch die Wirtschaft.
Meyer: Da wir ja den Reitsport im Wesentlichen durch Einnahmen aus Kooperationen mit Sponsoren und den Verkauf von Pferden finanzieren, sind Erfolge in weltweit beachteten Wettbewerben natürlich wichtig. Woran sonst sollten sich potenzielle Geschäftspartner orientieren? Erfolg ist grundsätzlich ein guter Hinweis darauf dafür, dass man von der Materie etwas versteht.
Kein Interview in diesen Zeiten ohne Frage zur Fußball-EM. Sie, Laura, sind mit einem gebürtigen Schotten verheiratet. Wie hat sich das beim Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland dargestellt?
Ludwig: Mein Mann hatte sich eigens einen Kilt, also so einen Schottenrock, angezogen. Er hat dann aber ziemlich schnell eingesehen, dass sein Team gegen die Deutschen eingehen würde.
TEIL 2
„Kinder sind das Schönste auf der Welt, aber mitunter auch ziemlich anstrengend“
Gruppenbild mit Kleinpferd: von links Lenny, Laura und Teo Ludwig-Bowes sowie Janne F. und Friedrich Meyer-Zimmermann auf Pony Max. © Werner Langmaack | Werner Langmaack
Sie sind seit über zwanzig Jahren auf höchstem Level im Leistungssport unterwegs. Was hat sich in dieser Zeit elementar verändert?
Meyer: Alles ist professioneller geworden. Das fängt bei der medizinischen Betreuung der Pferde an, die inzwischen eine ähnliche Qualität wie die Humanmedizin gewonnen hat. Und natürlich hat der Kommerz zugenommen. Früher hatten wir eine Handvoll Highlights pro Saison, heute gibt es kaum noch Atempausen. An jedem Wochenende wird irgendwo auf dem Globus ein Topturnier ausgetragen, und wer in der Weltrangliste vorn platziert sein möchte, muss viel reisen. Das ist – auch finanziell – mit einem Riesenaufwand verbunden, birgt Chancen und Risiken gleichermaßen. Wir haben keine Wahl, die Entwicklung lässt sich nun mal nicht anhalten.
Ludwig: Das ist beim Beachvolleyball vergleichbar. Früher waren meine Eltern bei den Turnieren oft dabei, weil die noch nicht in Brasilien oder in Shanghai stattfanden, sondern gewissermaßen vor der Haustür. Heute sind wir umgeben von einem wissenschaftlich ausgebildeten Expertenteam mit Chef- und Co-Trainer, mit Physio und Psychologin, Beratern und Pressereferenten.
Die Halstenbekerin Laura Ludwig (links) und Louisa Lippmann beim Aufschlag. © DPA Images | Expa
Als ob das alles nicht schon kompliziert genug wäre, haben Sie sich beide dazu entschlossen, Kinder zu bekommen. Wie kriegen Sie die sportlichen und die familiären Anforderungen unter einen Hut?
Ludwig: Kinder sind das Schönste auf der Welt, aber mitunter auch ziemlich anstrengend. Die Zeiten, als ich morgens ausschlafen und nach dem Aufstehen erst mal in Ruhe einen Kaffee schlürfen konnte, sind jedenfalls vorbei.
Meyer: Ich habe einen tiefen Respekt vor jeder Frau, die dieses Nebeneinander von Beruf und Familie bewältigt und möchte selbst auch zu denen gehören, die das schaffen. Es ist machbar, jedoch nicht ohne Unterstützung, die ich in erster Linie durch meinen Ehemann erhalte sowie durch ein tolles Team an Mitarbeitern. Außerdem haben wir eine wunderbare Nanny, weil ich eben gerade jetzt in der Hochsaison an fast jedem Wochenende auf Reisen sein muss. Und „Wochenende“ heißt in meinem Fall meist von Mittwoch bis Sonntagabend. Wir als Familie machen das alles gemeinsam.
Profi-Sport und Familie: Jeder muss seinen eigenen Weg gehen
Sie, Laura, haben während des vorigen Jahres gespürt, dass die Familie unter dem ganzen Stress zu leiden begann, und deshalb strukturelle Änderungen vorgenommen. Ihr Ehemann ist nicht mehr wie zuvor ihr Trainer und der ihrer Partnerin Louisa Lippmann, sondern kümmert sich schwerpunktmäßig um Haushalt und Kinder. Können Sie etwas zum Hintergrund dieser Maßnahme sagen?
Ludwig: Ich hatte einfach das Gefühl, nicht mehr all meinen Aufgaben gerecht werden zu können. Und wenn der Ältere, Teo, mal drei Wochen mit nach Mittelamerika fuhr, während der Kleine, Lenny, bei den Großeltern blieb, bedeutete das zugleich eine Trennung der Brüder. Das hat mir nicht gefallen.
Laura Ludwig mit Sohn Teo (5).
© Werner Langmaack | Werner Langmaack
In einer TV-Doku gestehen Sie sogar, dass Sie daran zu zweifeln begannen, eine gute Mutter zu sein.
Ludwig: Stimmt, und das ist ja nur der eine Aspekt. Zugleich hätte ich gern mehr Zeit ins Training investieren wollen, denn wir befanden uns als Duo ja längst nicht am Leistungsmaximum und benötigten mehr Spielzeiten miteinander. Also diese Gesamtsituation empfand ich irgendwann als Zerreißprobe. Nach vielen Gesprächen haben wir uns schließlich entschlossen, mit Simon Nausch einen im Beachvolleyball erfahrenen, höchst angesehenen Trainer zu verpflichten. Mit dieser neuen Aufgabenverteilung kommen wir jetzt besser zurecht.
Meyer: Trotz aller Erschwernis würde ich allen Frauen empfehlen: Verzichtet nicht der Sportkarriere wegen auf die Gründung einer Familie …
Ludwig: … das gilt aber auch umgekehrt.
Meyer: Ja, sicher. Verzicht ist in jedem Fall der falsche Ansatz. Jeder muss da den eigenen Weg finden. Aber grundsätzlich gilt: Es ist möglich und erstrebenswert.
Dass sie beide emanzipierte Frauen sind, daran kann kein Zweifel bestehen. Würden Sie sich auch als Feministinnen bezeichnen?
Zwei Weltklasse-Sportlerinnen aus dem Kreis Pinneberg: Laura Ludwig und Janne F. Meyer-Zimmermann auf Hof Waterkant. © Werner Langmaack | Werner Langmaack
Meyer: Nein. Ich bin für Gleichberechtigung, bin für Equal Pay, wo die Leistungen identisch sind. Nichts halte ich dagegen von Frauenquoten. In meinem Sport ist die Gleichberechtigung ja schon insofern vollzogen, als in Wettkämpfen zwischen den Geschlechtern nicht unterschieden wird. Männer und Frauen reiten praktisch gegeneinander.
Wobei Sie sich schon mal geschlechtsspezifisch benachteiligt fühlten und sich gegen einen Passus in den Statuten des internationalen Reiterverbandes FEI zur Wehr gesetzt haben. Wogegen haben Sie protestiert?
Meyer: Dabei ging es um eine starre Regelung zum sogenannten „Maternity Leave“ („Mutterschaftsurlaub“ – die Red.), die prinzipiell gut und wichtig ist, aber damals nicht ausgereift war. Sie war meiner Ansicht nach auch völlig aus der Zeit gefallen. Mithilfe der Gründung der Initiative „Equal Equest“ für mehr Chancengerechtigkeit im Reitsport ist es mir und meinen Mitinitiatorinnen und Supportern gelungen, die FEI von einer Anpassung des Paragrafen zu überzeugen.
Beim Frauen-Beachvolleyball werden immer mal wieder die mutmaßlich sexistischen Bekleidungsvorschriften kritisiert. Welche Meinung vertreten Sie dazu, Laura?
Ludwig: Für mich ist das eine überflüssige Debatte. Ich liebe es einfach, im Bikini zu spielen, das ist mein Arbeitsoutfit. Außerdem wurde das Regelwerk mittlerweile angepasst. Wer möchte, darf auch in langen oder halblangen Leggins spielen.
Letzter Themenwechsel: Sind Sie schon mal geritten, Laura, beziehungsweise haben Sie, Janne, schon mal Beachvolleyball gespielt?
Meyer: Ich kann mich erinnern, dass wir in der Schule manchmal Volleyball in der Halle gespielt haben, aber das ist ja eine völlig andere Disziplin, wie ich inzwischen gelernt habe.
Wenn Sie die Schule schon erwähnen: Welche waren Ihre Lieblingsfächer?
Meyer: Philosophie und Sport. Wenn ich ehrlich bin, muss ich allerdings gestehen, dass ich zum Ende hin nicht mehr allzu oft in den Unterricht gegangen bin und mein Abi gerade noch so mit einer schwachen Drei absolviert habe. Ich bin zu der Zeit bereits regelmäßig auf Turnieren geritten, hatte zum Glück aber einen sehr toleranten, verständnisvollen Schulleiter.
Ludwig: So ähnlich ging’s mir auch. Mein Interesse an der Schule nahm kontinuierlich ab, schlussendlich reichte es gerade noch für ein Abi mit einem Notenschnitt von 3,2. Der Sport stand für mich damals schon absolut im Mittelpunkt.
Gehörte Pferdesport auch dazu?
Ludwig: Nicht wirklich. Ich entsinne mich, als Kind mal bei einer Proberunde auf einem Pferd umgefallen zu sein. Danach war’s für mich dann vorbei mit der Reiterei.